AUGENARZTPRAXISDR.DYCK

Myopieentwicklung

Dieser Beitrag soll, wie auch alle anderen Beiträge auf diese Homepage, keine wissenschaftliche Abhandlung darstellen, sondern lediglich einen Gesamtüberblick skizzieren, um dem interessierten Laien zu ermöglichen, ein Verständnis für das Problem entwickeln zu können.


Zunächst ist es wichtig die Akkommodation zu verstehen. Akkommodation ist die Änderung der Brechkraft durch die Augenlinse, um Objekte oder Abbildungen in unterschiedlicher Entfernung scharf zu stellen (fokussieren). Diese Änderung wird durch die unterschiedliche Krümmung der Linse erreicht. Hierbei spielen die Ziliarmuskeln mit den an der Linse ansetzenden Zonulafasern und die Verformbarkeit der Linse selbst eine wichtige Rolle. Während die Verformbarkeit bei Erwachsenen ab ca. 40 Jahren zunehmend Probleme macht (siehe Nahvisus unter Häufige Fragen), haben Kinder an diese Stelle in aller Regel noch kein Problem.

Im Gegensatz zum Erwachsenenauge befindet sich das kindliche Auge aber noch im Längenwachstum, welches durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Steigt das Längenwachstum überproportional, so kommt der Brennpunkt vor der Netzhaut, anstatt auf der Netzhaut zu liegen und das Auge wird kurzsichtig (myop). Diese Myopie bleibt dann bestehen oder nimmt sogar zu, denn das Auge wird in der Regel nicht schrumpfen.


Zu den das Längenwachstum beeinflussenden Faktoren gehört zum großen Teil wohl der genetische Hintergrund. Beschrieben wird eine Vererbbarkeit von über 80% sowie eine Assoziation mit MYP-Lokus auf Chromosom 18. Eine sehr wichtige Rolle spielt aber auch die Seherfahrung, da hier die meisten Therapieüberlegungen ansetzen. Auch wenn die Gründe für das überschießende Längenwachstum bislang nicht gänzlich verstanden sind, werden verschiedene Theorien diskutiert. So gibt es Hinweise darauf, dass die Netzhaut bei Unterakkommodation, bei der der Brennpunkt hinter der Netzhaut zu liegen kommt, das Längenwachstum des Auges vermittelt. Es wurden auch Beobachtungen im Tierversuch beschrieben, nach denen das Auge bei schlechter Abbildungsqualität (Refraktionsfehler, schlechte Lichtverhältnisse, Medientrübungen) generell mit Myopie reagiert. Eine solche Deprivationsmyopie wurde z.B. bei frühkindlicher Katarakt oder Keratitis beobachtet. Grundsätzlich empfehlen wir daher bei Kindern die Naharbeit zu begrenzen und durch mindestens zweistündigen Aufenthalt im Freien pro Tag zu kompensieren. Bei der Naharbeit soll auf möglichst gute Lichtverhältnisse geachtet werden. Eine Fehlsichtigkeit muss dabei so gut wie möglich korrigiert und halbjährlich kontrolliert werden.


Nachfolgend möchte ich noch ausgewählte alternative Ansätze vorstellen:


Bei dem Versuch das Längenwachstum zu verlangsamen greifen einige Kollegen auf eine Therapie mit Atropinsulfat-Augentropfen (0,01%) zurück. Diese Augentropfen weiten die Pupille leicht (um ca. 1 mm). Eine passende Brille und mindestens 2 Stunden Aufenthalt im Freien pro Tag vorausgesetzt, soll man so ein verringertes Längenwachstum der Augen erreichen. Diskutiert wird diese Therapie für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, deren Kurzsichtigkeit um mindestens 0,5 Dioptrin im Jahr zunimmt. Eine Zulassung hat diese Therapie in Deutschland nicht. Damit gehört sie in die Gruppe des Off Label Use und muss privat finanziert werden.


Im Jahr 2023 ist die erste prospektive und plazebokontrollierte Studie zur Sicherheit , Tolerabilität und Effektivität von Atropoin 0,01% publiziert worden. Danach unterschied sich die Progression in der Atropin- und der Plazebo-Gruppe nicht signifikant. Der ohnehin sehr bescheidene Effekt der Progressionsprophylaxe durch Atropingabe war bei Kindern mit verringerter Aufenthaltszeit im Freien vollständig aufgehoben. Loughman J, Kobia-Acquah E, Lingham G et al (2023)


Aufgrund aktueller politischer Zerwürfnisse und damit verbundener Migration sehen wir auch, wie russische und ukrainische Kollegen versuchen das Längenwachstum zu verlangsamen, nämlich durch gewollte Unterkorrektur. Davon wird von der deutschen ophthalmologischen Gesellschaft abgeraten. Vielmehr sieht die DOG sogar eine Förderung der Myopiezunahme durch eine unterkorrigierte Brille.

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