AUGEN ARZT PRAXIS

von Dr. med. Wilhelm Dyck

Kinder in der Augenarztpraxis - ein altersentsprechender Befund

Teddybär mit Brille, Grafik

Entwicklung des Sehens

Auch wenn das Sehsystem bei Neugeborenen organisch komplett ist, sind einzelne Komponenten, wie Rezeptoren der Netzhaut, noch nicht völlig ausgereift. Auch die Verarbeitung im Gehirn, dem eigentlichen Sehorgan, muss noch erlernt werden. Das klappt aber nur, wenn alle Komponenten des Sehsystems funktionieren.

 

Neugeborene können lediglich starke Kontraste und kaum Farben erkennen. Dies entspricht einem Visus von etwa 0,01. Erwachsene sollten einen Visus von mindestens 1,0 haben, was 100 % entspricht. Bei schwierigen Sehzeichen erreicht ein Kind dies erst in einem Alter von 9 bis 10 Jahren. Diese Entwicklung kann aber individuell sehr unterschiedlich sein. Nicht jeder Sehfehler muss gleich ausgeglichen werden. Zunächst sind fast alle Kinder weitsichtig. Bis etwa +2,5 Dioptrien in der Sphäre und etwa 1,0 Dioptrien im Zylinder muss bei einem Kind nicht korrigiert werden. Eine leichte Kurzsichtigkeit kann beim Kleinkind toleriert werden, muss aber beobachtet werden. Die Messungen hierzu sollten in Zykloplegie (durch Augentropfen gelähmte Einstellmöglichkeit der Fixationsentfernung, weite Pupille) erfolgen, da die Messwerte durch „falsche“ Fixation nicht der realen Refraktion entsprechen. Diese „fiesen Augentropfen“ fordern oft die Überredungskünste aller Beteiligten. Oft ist es daher sinnvoller für diese Messung einen neuen Termin zu vereinbaren, sodass die Augentropfen in gewohnter Umgebung zuhause von den Eltern getropft werden können und anschließend die Messung in der Praxis erfolgen kann. Ein neues Messverfahren (beidäugiger Visionscreener) erleichtert oft die Messung, da der Untersucher hierbei ca. einen Meter vom Kind entfernt bleibt und das Kind oft eher bereit ist mitzumachen.

 

Ein weiterer Punkt ist das räumliche Sehen. Hier kommt es auf die Koordination der beiden Augen an. Da dies anfänglich noch nicht immer gut gelingt, ist ein zwischenzeitliches Schielen, vor allem bei Ermüdung, im ersten Lebensjahr kein Grund zur Beunruhigung.


In der weiteren Entwicklung ist es dann aber entscheidend zu untersuchen, ob behandlungsbedürftige Sehfehler adäquat korrigiert sind und keines der Augen in der Entwicklung des Sehvermögens zurückbleibt. Letzteres würde die Frage nach einer Okklusionstherapie aufwerfen. Dies ist die Therapie eines schwachsichtigen, amblyopen Auges. Hierbei wird das bessere Auge abgeklebt und das Gehirn damit gezwungen das schlechtere Auge zu verwenden. Dabei wird das Auge so viele Tage abgeklebt, wie das Kind in Jahren alt ist, gefolgt von einem Tag Pause. Bei konsequentem Fortführen steigt so das Sehvermögen des schlechteren Auges. Das bessere Auge darf dabei keinen Schaden nehmen, sonst wird die Therapie abgebrochen. Ansonsten endet die Therapie bei Erreichen eines seitengleichen Sehvermögens. Wenn das schwachsichtige Auge einen Visus von 0,5 nicht unterschreitet, ist grundsätzlich auch eine milchige Folie über dem Brillenglas des besseren Auges möglich. Des Weiteren kann das bessere Auge auch mittels Atropin Augentropfen „okkludiert“ werden. Dies führt zu einem leicht reduzierten Behandlungserfolg. Ab einem Alter von 8 bis 10 Jahren ist eine Okklusionstherapie kaum noch erfolgsversprechend.

 

Wenn jetzt nach Refraktionsausgleich und gutem seitengleichen Sehvermögen der Augen durch eine Schielstellung Defizite im räumlichen Sehen und/oder Doppelbilder auftreten, kommt eine operative Korrektur der Augenstellung in Frage. Schieloperationen sollten, wenn möglich, vor der Einschulung stattfinden. Wir bieten solchen Operationen nicht an, überweisen Sie aber gerne an kompetente Augenkliniken.

 

Damit die Entwicklung ungestört verläuft, müssen Erkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Im Folgenden sehen Sie grob die empfohlenen Untersuchungsintervalle:

 

Frühgeborene, insbesondere nach Sauerstofftherapie, stellen einen Sonderfall dar. Hier geht es um Ausschluss einer Frühgeborenenretinopathie und Netzhautveränderungen bei Säuglingen. Dies können wir aus strukturellen Gründen nicht anbieten. Geeignete Anlaufstellen in diesem Zusammenhang sind Augenkliniken. Gerne stellen wir eine entsprechende Überweisung nach Vorstellung bei uns aus.

 

Im Alter von 1 bis 2 Jahren sollte eine Vorstellung dann erfolgen, wenn bei den „U-Untersuchungen“ beim Kinderarzt Unregelmäßigkeiten auffallen oder in der Familie gehäuft Schielen oder einseitige Schwachsichtigkeit vorkommt.

 

Im Alter von 3 bis 4 Jahren sollte immer ein Augenarzt aufgesucht werden. In diesem Alter ist die Mitarbeitsfähigkeit des Kindes meist schon gut genug um einen genauen Status zu erheben und um ggf. geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

 

Vor der Einschulung sollte eine abschließende Untersuchung des vollen Sehvermögens durchgeführt werden.

 

Im Alter von 12 bis 16 Jahren kommt v.a. bei Kindern kurzsichtiger Eltern die Kurzsichtigkeit des Kindes durch. Dies wird oft durch schlechteres Sehen des Tafelbildes in der Schule oder manchmal auch einfach nur durch Kopfschmerzen bemerkbar. In dem Fall ist mindestens eine jährliche Kontrolle beim Augenarzt zu empfehlen.

 

Dann noch der Führerscheinsehtest mit 17 Jahren und man sieht den Patienten oft bis zum 45 Lebensjahr nicht wieder. Dann kommt er nämlich mit seiner Presbyopie (Altersweitsichtigkeit). Empfohlen werden jedoch mindestens Kontrollen alle 5 Jahre. Unter anderem bei Myopie, Hyperopie, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie und familiären Augenkrankheiten werden mindestens jährliche Kontrollen empfohlen. Für weitere Informationen verweisen wir hier auf unsere Vorsorgeangebote (Ratgeber). Sprechen Sie uns gerne an.


Strabismus (Schielen)

Zum Abschluss soll hier noch grob das Vorgehen bei Untersuchungen zum Einordnen von Schielstellungen über die Begriffe „Innen-|Außenschielen“ hinaus umrissen werden. Diese Untersuchungen erfordern eine gute Mitarbeit des Kindes im Hinblick auf Fixation und das Befolgen von Kommandos. Daraus folgt, dass es bei Kleinkindern oft keinen exakten Status geben kann und es letztendlich auf eine möglichst gute Refraktion ankommt.

 

Bei den Schielstellungen unterscheidet man zwischen Tropien und Phorien. Während Tropien eine permanente Fehlstellung bei beidseits geöffneten Augen darstellen und zumindest bei großem Schielwinkel auch ohne weitere Untersuchungen sichtbar sind, erkennt man eine Phorie erst durch Unterbrechung der Synchronisation zwischen den Augen (break fusion).


Tropie

Die Untersuchung startet mit einer „Fingerperimetrie“. Dabei wird vor den nicht abgedeckten Augen des Kindes mit einem möglichst bunten und interessanten Gegenstand ein Viereck in die Luft „gezeichnet“. Dabei werden die Bewegungen der Augen beobachtet. Wenn hier ein Auge die Bewegungen in irgendeiner Richtung nicht mehr mitmacht, spricht man von einer Tropie mit einem großen Winkel.

Perimetrie, animierte Grafik

Für Tropien mit kleineren Winkeln wird ein sog. Cover-Uncover-Test durchgeführt. Dazu wird das Kind aufgefordert einen bestimmten Punkt zu fixieren. Ein Auge wird dabei immer wieder abgedeckt und das Verhalten des nicht abgedeckten Auges beurteilt. Erkennt man hier Augenbewegungen, so spricht man von einer Tropie mit einem kleineren Winkel.

Covertest, Exotropie, animierte Grafik

Phorie

Sind die Tropien ausgeschlossen, so kommen nun die Untersuchungen zum Ausschluss bzw. Klassifikation der Phorien. Dazu deckt man die Augen abwechselnd ab und beurteilt das Verhalten des gerade „freigegebenen“ Auges, während das Partnerauge ja bereits wieder verdeckt wird. Dies ist der sog. Cross-Cover-Test. Führt hier ein Auge nach, so war es zuvor in einer Schielstellung die zu den Phorien zählt.

Covertest, Esophorie, animierte Grafik

Hat man jetzt erstmal dem „Kind“ einen Namen gegeben, muss über die daraus resultierenden Konsequenzen nachgedacht werden. Dabei stellt sich die Frage nach Doppelbildern und speziell bei Kinder nach Sehleistung, Ablyopie bzw. Amblyopiegefahr. Und damit wären wir wieder am Anfang dieser Lektüre angekommen: Refraktion, Okklusion und ggf. Schiel-OP vor der Einschulung.

 

Manchmal hat ein Schielen aber auch organische Gründe. Eine Unterscheidung zwischen einer angeborenen oder fixationsbedingten Augenfehlstellung und einer zugrundeliegenden Erkrankung ist nicht immer einfach. Beispiel: Esotropie vs. Abduzensparese. Fehlstellungen aufgrund von raumfordernden Prozessen oder Medientrübungen können dagegen relativ gut vom Augenarzt gesehen werden. Daher ist neben der Erhebung des orthoptisches Status die Untersuchung des Organs an sich unverzichtbar.

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BLOG BESCHREIBUNG

Ein Grundverständnis für die häufigsten Augenerkrankungen soll durch das Stöbern in diesem Blog gewonnen werden. Aber auch seltenere Phänomene einem unserer wichtigsten Sinne sollen hier verständlich gemacht werden. Weiter unten auf dieser Seite haben Sie auch die Möglichkeit, verschiedenste Verständnisfragen zu Krankheiten und Phänomenen das Auge betreffend anonym zu stellen. Ob wir diese dann beantworten oder zu den Themen von besonderem Interesse einen neuen Blogbeitrag erstellen, bleibt zunächst offen. Individuelle Fallbesprechungen bleiben natürlich weiterhin ausschließlich der Sprechstunde in unserer Praxis vorbehalten. Bitte auch nicht für Terminangelegenheiten missbrauchen!

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Dieses griechische Wort für Wasserfall beschreibt eine Trübung der Linse in unseren Augen. Durch die lebenslang stattfindenden Umbauprozesse der Linse wird diese zunächst immer weniger elastisch, wodurch wir die Fähigkeit der Naheinstellung (Akkommodation) zunehmend einbüßen. Dies beginnt bereits bei Kindern und macht sich im Durchschnitt ab dem 40. Lebensjahr bemerkbar. Im Laufe der Jahrzehnte trübt die Linse zusätzlich ein. Das Sehen gleicht ein wenig einem schmutzigen Fensterglas mit einem Gelbstich. An diesem Fenster helfen keine Gläser. Da hilft nur Putzen. Ähnlich verhält es sich am Auge. Eine andere Brille bringt kaum noch eine Verbesserung.

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